Nur ein Stück Wiese

Hallo Forengemeinde

Es ist Mitte November. Wohl der ungünstigste Zeitpunkt um einen neuen Gartenthread zu eröffnen. Aber natürlich habe ich mir etwas dabei gedacht.
Hier soll es nämlich nicht nur um ein Stück Wiese in MEINEM Garten gehen.
Vielmehr möchte ich einen Aufruf an alle Gartenbesitzer starten es mir gleich zu tun und die Ergebnisse immer wieder mal hier zu zeigen.
Vielleicht  wird das was ich vorhabe auch schon von einigen praktiziert.
Auch in diesem Fall ist ein kleiner Bericht samt Fotos hier sehr willkommen.

Worum geht es eigentlich?

Dazu eine kleine Vorgeschichte.
Als ich vor ziemlich genau 20 Jahren in mein heutiges Domizil zog, war der damals 12jährige Garten äußerst arm an Arten. Sowohl was Flora als auch Fauna betrifft. Und das, obwohl ich am Ortsrand einer kleinen, 1200 Seelen Gemeinde wohne. Nur ca.250 Meter von Feld, Wiese und Wald entfernt.
Aber Insekten, Wildpflanzen und CO. fanden bei mir  keinen geeigneten Lebensraum. Sie fühlten sich in meinem Garten einfach nicht wohl.
UND ICH MICH AUCH NICHT:

Doch das änderte sich bald. Denn je länger ich den Garten auf  meine Weise " pflegte " , desto vielfältiger wurde die Natur um mich herum. Ich legte kleine, fischfreie Tümpel an. Aber mittig tief genug um im Winter nicht bis zum Grund durchzufrieren. Zumindest zwei davon.
Aus drei, vier kleinen Büschen wurde eine Hecke, die das Grundstück an zwei Seiten umgibt. Dazu mehrere Bäume. Das Laub entferne ich im Herbst nicht, sondern lasse es unter der Hecke liegen. Und so weiter.

Aber hier soll es speziell um die Wiese gehen.

Ich vertikutiere nicht. Ich mähe nicht oft. Und wenn, dann auf der höchsten Stufe. Ich dünge die Wiese nicht. Ich wässere nicht bei Trockenheit.
Und mit der Zeit stellten sich immer mehr Insekten bei mir ein. Sogar die äußerst seltene Mooshummel findet hier ein Zuhause.
All das ist jedoch nichts, verglichen mit dem Insektenreichtum den es in meiner Kindheit gab.
Daran mögen die modernen Insektizide schuld haben. Aber einen großen Anteil am Insektensterben hat auch der fehlende Lebensraum.
Ein Großteil der Insekten kann fliegen. Das wissen wir alle.
Dennoch sind die meisten bei weitem nicht so mobil wie man denkt. Viele haben nur einen kleinen Aktionsradius von wenigen hundert Metern.
Werden diese Vorkommen voneinander räumlich isoliert, dann findet kein Austausch mehr statt und diese Populationen degenerieren und verschwinden schlussendlich völlig.
Gäbe es jedoch in genügend Garten kleine  " Insekteninseln " in der Wiese, dann könnten diese als Brücken dienen und den notwendigen Austausch ermöglichen.
Aus diesem Grund hab ich mich entschlossen , etwa 13 Quadratmeter meines Gartens künftig nur noch einmal im Spätherbst zu mähen.
Einen Vorversuch hatte ich dieses Jahr bereits gestartet.
Ab kommenden Frühjahr werde ich  sowohl Fauna als auch Flora  in diesem Bereich dokumentieren und hier zeigen.
Mal sehen wie es sich entwickelt.
Und vielleicht hat ja jemand Lust in seinem eigenen Garten mitzumachen. Die Größe ist dabei nebensächlich. JEDER Quadratmeter zählt.

Etwas größer als beim diesjährigen Vorversuch wird die Fläche noch werden.


















Gruß Stefan

Moin Stefan,

eine hervorragende Idee!

Die Gruson-Gewächshäuser in Magdeburg verfolgen ein ähnliches Ziel. Vor den Gewächshäusern, in Richtung eines historischen Landschaftsparks, besitzen wir zwei Flächen, die vorher als reine Rasenflächen genutzt wurden. Jetzt nach dem Umbau haben wir begonnen, unter wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule Anhalt, dort eine Blumenwiese anzulegen. Man ist überrascht, was schon nach knapp zwei Jahren dort an Tieren zu finden ist. Besonders ein noch kaum bewachsener, sehr warmer Streifen an einem der Gewächshäuser hat, nach meiner nicht sehr großen Artenkenntnis, mindestens schon zwölf Grab- und Sandwespen dazu verleitet, dort ihre Bruthöhlen anzulegen. Dazu kommen dann noch diverse Wildbienen. Ich war wirklich überrascht.

Anfangs hatte ich als Zeitpunkt für die Mahd auch den Spätherbst vorgeschlagen. Die Hochschule Anhalt hat jedoch in langjährigen Versuchen festgestellt, das der Schnitt besser im Mai/Juni erfolgen sollte. Es ist nämlich so, dass der späte Schnitt die Gräser fördert, die die insektenbestäubten Blumen dann verdrängen. Der anfängliche Artenreichtum verringert sich dann nach einigen Jahren leider wieder.
Bei einem Schnitt im Frühsommer werden die Blütenstände der Gräser entfernt, sie können sich also nicht mehr versamen, da sie keine Nachblüte ausbilden. Bei den Blumen jedoch findet eine stärkere basale Verzweigung statt und diese Pflanzen blühen trotz des Schnittes, nur eben ein paar Wochen später. Da diese Pflanzen also in der Lage sind, sich zu versamen, können sie stärkere Bestände bilden als die Gräser. Das Gleichgewicht ist besser und der Artenreichtum größer.

Mal sehen ob ich dran denke, hier auch mal gelegentlich Fotos zu zeigen.

Moin Opuntio, 
von mir auch ein großes DAUMEN HOCH!
Die Idee, "Trittstein- Biotope" anzulegen oder zu erhalten oder wie auch immer an zu bieten, damit die vorhandenen Arten von A nach B kommen können, ist zwar nichts Neues aber trotzdem prima! 
Und im Grunde kommt es auch gar nicht darauf an, mit fürchterlich viel Aufwand irgend etwas für die Natur zu tun - viel wichtiger ist in den meisten Fällen, die menschlichen Finger einfach davon zu lassen! Die Natur entwickelt sich auf dem angebotenen Fleckchen Erde dann schon von alleine im Rahmen der dortigen Möglichkeiten. 
Wir haben vor ca. 25 Jahren hier im Garten aus einer vorhandenen eintönigen Rasenfläche einen Gartenteich gemacht. Natürlich ist die Folie zur Abdichtung des Teichs nicht natürlich, aber sonst hätte es keinen Teich geben können. Egal. 
Die Böschungen und die Randbereiche des Teiches habe ich damals mit den angefallenen Rasensoden bedeckt, damit dort gleich was wächst und der nackte Boden nicht beim nächsten Regen im Teich landete. 
Da ich ziemlich faul bin, was die Pflege der Teichränder angeht, und ich den Bewuchs lediglich 1 x pro Jahr (manchmal auch nur 1 x alle 2 Jahre) abschneide, haben sich das Erscheinungsbild und wohl auch die Artenzusammensetzung der ehemaligen Rasensoden deutlich verändert. 
Ob sich dort nun "wertvolle" oder "seltene" Arten angesiedelt haben und daraufhin ggf wiederum andere Arten zur Nahrungsaufnahme hierher kommen, ist vollkommen egal. Wichtig ist, dass die Entwicklung weitgehend ohne menschlichen Einfluss abläuft. Ich weiß, ohne menschlichen Einfluss gibt es auf unserem Planeten nicht mehr.
Ja, JEDER QUADRATMETER ZÄHLT! Und er muss auch gar nicht viel kosten.
Gruß Henning

Sehr schön Stefan !!

Als gealtertes Großstadtkind sage ich schon immer ..... "Platz zu haben ist der größte Luxus".
Das wissen aber meist nur Die, welchen keinen haben.

Einen ganz kleinen Garten mit 4x9m hab ich inzwischen, gehört aber eigentlich meiner Frau ;-)
Und der Traum mir richtig Platz zu kaufen, ist leider immer wieder an verschiednen Dingen gescheitert.

Robert

Fotos zu den einzelnen Abschnitten wäre wirklich toll! Bei mir, allerdings auf wenigen m2, gewinnen letztendlich auch immer die Gräser.....
Gruß Rudi

Ende Februar

Es tut sich erwartungsgemäß noch nicht viel. Nicht umsonst ist das hier Bayerisch Sibirien.  
Aber wenigstens sind einige Krokusse und Schneeglöckchen da. Und beim Sanddorn sieht man schon Blätter der Traubenhyazinthe.
Heute morgen war eine dünne Eisschicht auf den Gartentümpeln. Die nächtlichen Temperaturen bremsen die Natur noch aus.
Trotzdem wollte ich ein paar Bilder zeigen.


















Mal abwarten, was sich bis Mitte März getan hat. Ich werde berichten.
Gruß Stefan

Hi,
habe das "Experiment" gerade erst entdeckt weil du was Neues dazu geschrieben hattest und finde das auch voll spannend.
Ich wünsche dir viel Erfolg dabei und freue mich auf ein regelmäßiges Update!
Viele Grüße Christine

Auch ich habe dieses Wiesen-Thread gerade erst endeckt. Sehr, sehr schön!
Ich bin vor vier Jahren umgezogen und lasse hier ums Haus mehr und mehr Rasen zur Wiese werden. Hinterm Haus habe ich ein größeres Stück mit Wildwiesensaat eingesäät. Den Tipp mit der Mahd im Frühsommer werde ich dieses Jahr gleich ausprobieren. Ich beobachte nämlich dort, dass sich die Gräser immer stärker ausbreiten und andere Wildkräuter verdrängen. Bislang habe ich erst im Herbst gemäht.
Im Vordergarten, der sehr sonnig und trocken ist, verbreiten sich mehr und mehr die Margeriten, ganz von allein. Sieht viel viel schöner aus als englischer Rasen, Gesumm und Gebrumm inclusive

Obwohl  der Klimawandel auch vor meiner kühlen Ecke nicht Halt macht, hängen wir hier dem Rest der Republik teilweise über zwei Wochen hinterher.
Aber es tut sich was.




Sieht noch nicht viel anders aus als im Februar, nicht wahr? Man muss schon näher ran gehen, dann entdeckt man etwas.


Hieracium maculatum, das gefleckte Habichtskraut.


Dipsacus fullonum  Die wilde Karde


Achillea millefolium Gemeine Schafgarbe


Glechoma hederacea Gundermann


Hypochaeris glabra Kahles Ferkelkraut


Johanniskraut (Hypericum perforatum)


Luzula campestris Feld Hainsimse


Mittlerer Wegerich (Plantago media)


Sedum sexangulare Milder Mauerpfeffer


Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare)


Wilde Möhre Daucus rouyi


Wilder Sauerampfer Rumex rugosus


Während die Krokusse durch sind, haben die Traubenhyazinthen erst kürzlich losgelegt.
Und die beiden anderen bedürfen wohl auch keiner Vorstellung  








Gruß Stefan

Hallo Stefan,

sehr gut und sehr schön, dass Du Dein Wiesenprojekt hier so ausgiebig vorstellst.
Besonders dankbar bin ich Dir für die Namen zu den verschiedenen Pflanzen in der Wiese, das ist für uns alle lehrreich bzw. eine gute Auffrischung.
Und Du hast Dir viel Arbeit damit gemacht, auch dafür vielen herzlichen Dank,
liebe Grüße,
Ada